Der heutige Tag begann für mich mit einer traurigen Nachricht: Justin Raimondo ist tot. Er starb gestern im Alter von erst 67 Jahren.
Raimondo gehörte zu den großartigsten und unbestechlichsten Publizisten und Aktivisten der USA. Er gründete 1995 zusammen mit Eric Garris das Portal Antiwar.com und machte es zu dem, was es heute ist – eine unverzichtbare Informations- und Inspirationsquelle für Kriegsgegner weltweit. Dass Raimondo den Kampf gegen seine Krebskrankheit verlieren würde, war seit längerem zu befürchten. Dennoch ist sein früher Tod ein Schock.
Schon Anfang 2018 war Robert Parry verstorben, der bedeutende Investigativ-Journalist und beharrliche Kritiker der US-Außenpolitik, im Dezember dann der große anti-imperiale Publizist William Blum. Nun also ein weiterer schmerzlicher Verlust für alle Kriegsgegner und Friedensfreunde.
Raimondo war ein Brückenbauer. Als Teil der libertären Bewegung in den USA hatte er zwar grundsätzliche Differenzen mit linken oder konservativen Zeitgenossen. Aber die inhaltlichen Schnittmengen waren ihm stets wichtiger als die unüberbrückbaren Meinungsunterschiede. Gemeinsamkeiten mit anderen politischen Strömungen suchte und fand er zum Beispiel in der resoluten Verteidigung eines liberalen Rechtsstaats und – vor allem – im Kampf für den Frieden, also in einer fundamentalen Opposition gegen die desaströsen Kriege des US-Empire.
Erst vor zwei Tagen hatte Antiwar.com – sicherlich in Erwartung von Raimondos unmittelbar bevorstehendem Tod – einen älteren Artikel von ihm neu publiziert. Er stammt aus dem Jahr 2003, wurde geschrieben anlässlich des beginnenden Irak-Kriegs. Ein bewegendes Dokument! Man kann die analytische Schärfe und die geradezu prophetische Wucht dieses Textes nur bewundern.
In den USA liefern sich die beiden tonangebenden Parteien, Republikaner und Demokraten, einen halsbrecherischen Streit um die militantere außenpolitische Linie. Die Opposition dagegen ist zwar vorhanden und im Wachstum begriffen, aber sie ist nicht geeint. Raimondo hat sein Möglichstes getan, diese Gräben zu überwinden. Antiwar.com veröffentlicht Texte von Kriegsgegnern jeglicher Couleur, von weit rechts bis ganz links. Das verbindende Moment ist die Opposition gegen den militärisch-industriellen Komplex, gegen das öde Gruppendenken in Washington, gegen die stupide Kriegstreiberei der Mainstream-Medien.
Raimondo war nicht nur publizistisch unterwegs, sondern auch politisch aktiv. Obwohl libertär, unterstützte er zum Beispiel die Präsidentschaftskandidaturen des streng konservativen Pat Buchanan. Warum? Aus einem offenkundigen Grund: Buchanan, der ehemalige Kommunikationsdirektor von Präsident Reagan, ist seit langem ein vehementer Kritiker des aggressiven internationalen Kurses der USA.
Interessanterweise und fast zeitgleich mit Raimondos Tod schrieb Buchanan, der häufig und nicht ganz zutreffend als „Isolationist“ bezeichnet wird, für das Magazin The American Conservative ein engagiertes Plädoyer für die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Tulsi Gabbard. Die erst 38-jährige Gabbard ist für viele Menschen, die sich vom Establishment nicht mehr repräsentiert fühlen, eine Hoffnungsträgerin. Sie ist die wohl einzige bekannte US-Politikerin, die einen couragierten, dezidiert anti-imperialen Kurs verfolgt.
Zu den Autoren, die Raimondo schätzte und deren Beiträge er regelmäßig brachte, gehört noch ein weiterer ehemaliger Reagan-Mann: David Stockman. Einst „Director of the Office of Management and Budget“ unter Reagan, gehört er inzwischen zu den wortmächtigsten Kritikern des imperialen Gehabes der USA. Vor wenigen Tagen erst nahm er auf die ihm eigene Weise, also mit stupender Sachkenntnis und polemischer Verve, die aggressive Iran-Politik Trumps und seiner Amtsvorgänger nach allen Regeln der Kunst auseinander. Ein grandioser Beitrag, den man den servilen Stenographen des medialen Mainstreams als Pflichtlektüre verordnen möchte.
Es gibt sie also, die fundamentale Opposition gegen den kriegsaffinen US-Imperialismus. Dass es sie gibt, ist nicht zuletzt das Verdienst von Menschen wie Justin Raimondo. Diese Opposition zu stärken und – vor allem – zu einen, ist die große Aufgabe, die vor uns liegt.