Peter Handke: Die drei Lesungen des Gesetzes (1968)
1.
Jeder Staatsbürger hat das Recht –
Beifall
seine Persönlichkeit frei zu entfalten –
Beifall
insbesondere hat er das Recht auf:
Arbeit –
Beifall
Freizeit –
Beifall
Freizügigkeit –
Beifall
Bildung –
Beifall
Versammlung –
Beifall
sowie auf Unantastbarkeit der Person –
starker Beifall.
2.
Jeder Staatsbürger hat das Recht –
Beifall
im Rahmen der Gesetze seine Persönlichkeit frei zu entfalten –
Rufe: Hört! Hört!
insbesondere hat er das Recht auf:
Arbeit entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen –
Unruhe, Beifall
auf Freizeit nach Maßgabe seiner gesellschaftlich notwendigen Arbeitskraft –
Zischen, Beifall, amüsiertes Lachen, Unruhe
auf Freizügigkeit, ausgenommen die Fälle, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden –
schwacher Beifall, höhnisches Lachen, Scharren, Unruhe
auf Bildung soweit die ökonomischen Verhältnisse sie sowohl zulassen als auch nötig machen –
starke Unruhe, Murren, unverständliche Zwischenrufe, Türenschlagen, höhnischer Beifall
auf Versammlung nach Maßgabe der Unterstützung der Interessen der Mitglieder der Allgemeinheit –
Pultdeckelschlagen, Pfeifen, allgemeine Unruhe, Lärm, vereinzelte Bravorufe, Protestklatschen, Rufe wie: Endlich! oder: Das hat uns noch gefehlt!, Trampeln, Gebrüll, Platzen von Papiertüten
sowie auf Unantastbarkeit der Person –
Unruhe und höhnischer Beifall.
3.
Jeder Staatsbürger hat das Recht,
im Rahmen der Gesetze und der guten Sitten seine
Persönlichkeit frei zu entfalten,
insbesondere hat er das Recht auf Arbeit entsprechend den
wirtschaftlichen und sittlichen Grundsätzen der
Allgemeinheit –
das Recht auf Freizeit nach Maßgabe der allgemeinen
wirtschaftlichen Erfordernisse und den Möglichkeiten eines
durchschnittlich leistungsfähigen Bürgers –
das Recht auf Freizügigkeit, ausgenommen die Fälle, in denen
eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und
der Allgemeinheit dadurch besondere Lasten entstehen würden
oder aber zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand
der Allgemeinheit oder zum Schutz vor sittlicher und
leistungsabträglicher Verwahrlosung oder zur Erhaltung eines
geordneten Ehe-, Familien- und
Gemeinschaftslebens –
das Recht auf Bildung, soweit sie für den wirtschaftlich-
sittlichen Fortschritt der Allgemeinheit sowohl zuträglich als
auch erforderlich ist und soweit sie nicht Gefahr läuft, den
Bestand der Allgemeinheit in ihren Grundlagen und
Zielsetzungen zu gefährden –
das Recht auf Versammlung nach Maßgabe sowohl der
Festigung als auch des Nutzens der Allgemeinheit und unter
Berücksichtigung von Seuchengefahr, Brandgefahr
und drohenden Naturkatastrophen –
sowie das Recht auf Unantastbarkeit der Person:
Allgemeiner stürmischer, nichtendenwollender Beifall.