…und Markus Söder sei Dank!
Letzte Woche, am Dienstag und am Donnerstag, durften die Münchner Philharmoniker nach langer Corona-Pause endlich wieder vor Publikum auftreten. Chefdirigent Valery Gergiev, der neben den Philharmonikern auch dem Mariinsky-Theater in Sankt Petersburg samt dortigem Orchester vorsteht, kam mit Sondergenehmigung und Flugzeug aus der russischen Metropole nach München. Künstlerisch ließen die Konzerte so gut wie keine Wünsche offen. Und doch, da bin ich sicher, läuteten sie den endgültigen Untergang des Abendlandes ein.
Die Münchner Philharmoniker sind ein Ensemble der internationalen Spitzenklasse und – nach meiner völlig unmaßgeblichen Meinung – das klangschönste deutsche Orchester. Ihr Chef Valery Gergiev ist – wiederum nach meiner völlig unmaßgeblichen Meinung – in der Dirigentenwelt das Nonplusultra. In westlichen Medien wird er zwar gerne angefeindet. Immer wieder liest man, es spreche gegen Gergiev, dass er mit Putin befreundet ist. Dabei wird genau umgekehrt ein Schuh daraus: Es spricht für Putin, dass er mit Gergiev befreundet ist. Aber lassen wir das.
Um von Sankt Petersburg nach München reisen zu können, brauchte Gergiev nicht nur eine Sondergenehmigung. Er musste sich auch zwei Corona-Tests unterziehen, zunächst in seiner Heimat, sodann in Deutschland.
Wie gestalteten sich nun die genaueren Umstände dieses Konzerts, das – wie üblich – im „Gasteig“ stattfand? Die Münchner Abendzeitung berichtet schier Unglaubliches:
„Der Weg vom Max-Weber-Platz zum Gasteig führt an voll besetzten Cafés und Restaurants vorbei, mit munterem Treiben auf erweiterten Freischankflächen und natürlich ohne Mundschutz. Im Gasteig dann Hygiene-Strenge: Nur 100 Besucher, mit viel Abstand in einem 2400 Besucher fassenden Saal, das Konzert ohne Pause, unter Vermeidung sozialer Kontakte und ohne den gewohnten Espresso vor Beginn, weil die Bar geschlossen und der Betreiber in Insolvenz gegangen ist.“
Im Konzertsaal angekommen, konnte der Kritiker der Abendzeitung „mit Mundschutz und Spuren von Atemnot“ beobachten, „wie die Philharmoniker ebenfalls mit vorschriftsmäßiger Bedeckung das Gasteig-Podium [betraten]. Im Unterschied zum Publikum durften sie aber dann frei atmen.“ (Zum Glück! Man denke an die Blasinstrumente! Wie soll man die mit Gesichtsmaske bedienen?)
Der Berichterstatter des Merkur vermerkt – was angesichts solcher Rahmenbedingungen kaum überraschen kann –, dass der Neustart des Orchesters beim Publikum nicht „Tränen der Wiedersehensfreude, sondern Frust und Kopfschütteln“ bewirkte. Die Süddeutsche spricht sogar von einer „sagenhaften Trostlosigkeit“. Da habe man schon in Anspielproben mehr Zuhörer erlebt. Kurz vor Konzertbeginn, so die Zeitung weiter, habe der Intendant der Philharmoniker, Paul Müller, den Anwesenden das Prozedere erläutert: „keine Garderobe, keine Pause, kein Catering, kein Programmheft, das Repertoire wird an die Situation angepasst“.
Das ist wenig. Aber mehr, so die Süddeutsche weiter, sei im südlichsten Bundesland eben nicht möglich, „da Bayern über den für die Kunst offenkundig nutzlosesten Kunstminister aller Bundesländer verfügt“.
Musikalisch waren das Orchester und sein Dirigent auf der Höhe – aber, schreibt der Merkur: „Alles klingt mit deutlich mehr Hall versehen als sonst. Die auseinander gezogene Sitzordnung der maximal 45 Instrumentalisten verstärkt den kammermusikalischen Charme.“
Maximal 45 Instrumentalisten? Das ist gerade mal so die Hälfte des Üblichen. Aber auch das war der „Hygiene“ geschuldet – mit der Folge: dienstags spielte die eine Hälfte des Orchesters, donnerstags die andere. Wer bietet weniger?
Der bayerische Ministerpräsident heißt bekanntlich Markus Söder. Wollte man ihn genauer beschreiben, könnte man sagen: Dieser Mann ist das glatte Gegenteil von Gergiev, also der Inbegriff von Provinzialität und Borniertheit.
Gergiev hatte mit seiner Interpretation von Beethovens siebter Sinfonie den Kritiker der Süddeutschen „sprachlos“ gemacht. Auch der CSU-Söder macht sprachlos, aber auf ganz andere Weise.
In der Augsburger Allgemeinen hat er nun angekündigt, dass in Bayern die Maskenpflicht bei Kulturveranstaltungen im Saal fürderhin nicht mehr gelten solle. Die Maske dürfe auf dem festgelegten Sitzplatz künftig abgenommen werden. Beim Hineingehen und im Umfeld – etwa im Garderobenbereich – gelte die Tragepflicht aber weiter.
Wahnsinn! Und wie begründet Söder diesen imponierenden Befreiungsschlag? Bayern, so sagte er, wolle „eine Perspektive für die Kultur“ (in Worten: „eine Perspektive für die Kultur“).
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die 100 Leute, die man in den 2400 Menschen fassenden Gasteig reinlässt, dürfen künftig auf den ihnen zugewiesenen Plätzen während des Konzerts ihre Maske abnehmen. Und das ist dann „eine Perspektive für die Kultur“!?
Wie ich am Anfang sagte: Das ist er, der Untergang des Abendlandes. Mit diesem Söder-Spruch ist der absolute Tiefpunkt erreicht. Das kann keiner mehr unterbieten, auch Lauterbach nicht. Das war’s. SchlussAusEnde.
Ich bin ganz der Meinung von Herrn Söder: Kultur wird völlig überschätzt, sie kostet nur und bringt nichts. Man schaue sich nur mal diese völlig überdimensionierte bayerische Staatsoper an. So überflüssig wie ein Kropf. Die könnte man z.B. abreißen und stattdessen ein wirklich schönes mehrstöckiges Einfkauszentrum mit einer großen, eleganten Tiefgarage hinbauen. Damit das Zentrum Münchens mal so einen richtigen Anziehungspunkt hat. Stuttgart ist da mit seinem Milaneo, dicht bei der Stuttgart-21-Megabaustelle, ja schon Lichtjahre voraus!
Die Feldherrnhalle am Odeonsplatz könnte man durch eine richtig gute Hendlbraterei ersetzen, so dass man nicht immer aufs Oktoberfest warten muss, was ja jetzt sogar erst wieder im September 2021 seine Pforten öffnet! Ganz in der Nähe ist ja auch der Englische Garten wo man in angenehmer Umgebung mit seiner Familie die saftigen Hendl verspeisen kann.
Und passend zur Klientel des Wohnviertels Schwabing sollte an Stelle der Alten und Neuen Pinakothek, die eh nur vor sich hinverstauben, jeweils ein richtig schickes Spa- und Wellnesszentrum hipflanzt werden. Man stelle sich vor da kommt in den nächsten Jahren wieder so ein Virusausbruch und die Grenzen nach Österreich sind wieder dicht. Wo soll denn dann der Gspusi-Münchner sich erholen gehen?
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Gestern am Montag haben sich noch einmal einige Sängerinnen und Sänger in Minga (hochdeutsch: München) versucht dem Unvermeidlichen – der Transformation der Kunst und Kultur hin zu etwas Besserem – entgegenzustellen, aber es war ja irgendwie schon von vorneherein zum Scheitern verurteilt:
06.07.2020, 21:44 Uhr
Chor-Demo in München: „Sport und Kneipen“ wichtiger als Kultur?
Der Wind ruinierte die Frisuren und warf die Notenständer um, trotzdem sangen rund fünfzig Unentwegte am Odeonsplatz eine Kurzfassung von Mozarts Requiem. Ein Abgesang auf die Live-Musik, ein Signal für mehr Mut in der Branche – und mehr Fairness. Hier soll ein Zeichen gesetzt werden gegen den Frust vieler Künstler, und etwa hundert zufällige Passanten klatschen gern Beifall. Andrea Fessmann stellt sich unter einen der monumentalen Löwen der Feldherrnhalle und kämpft für ihren Berufsstand.
https://www.br.de/nachrichten/kultur/chor-demo-in-muenchen-sport-und-kneipen-wichtiger-als-kultur,S3zQrve
Die faktische Kraft des Mächtigen ist einfach zu groß. In wenigen Wochen rücken die Vermessungstrupps an und dann sind die Tage der besagten Feldherrnhalle gezählt und ebbs gscheites kummt donn do hi. Wer also noch mal dieses überflüssige Steinmonument unbedingt besichtigen möchte, kann dies am Besten in den nächsten Wochen tun, ist ja auch gerade Ferienzeit, da hamm die Menschen Zeit.
Im nächsten Frühjahr wird dann wohl die Abrissbirne kommen und spätestens Ende nächsten Jahres gibt’s dann immer richtig knackige Hendl frisch vom Grill am Odeonsplatz. Tag und Nacht. Weihnachten, Meisterschaftsfeiern, Nikolausi, Ostern, ganz egal.
Die Wagner-Festspielleitung in Bayreuth hat es Gott sei Dank schon im März eingesehen, dass die Tage von Kunst und Kultur gezählt sind. Denn da hatten sie die diesjährige Wagner-Festivalzeit schon für beendet erklärt. Jetzt können endlich die Golfplatz-Investoren zum Zuge kommen und das Festspielgelände in einen idyllisch gelegenen 18-Loch-Golfplatz umwandeln. Bei so einem Wagner-Konzert kann man wirklich schlecht Geschäfte machen. Man versteht ja 4-5 Stunden lang sein eigenes Wort nicht! Da ist es doch auf einem Golfplatz wirklich ruhig dagegen. Das ist ein Win-Win-Effekt für die gesamte Region, weil so die Geschäfte mit anderen Firmen enorm angekurbelt werden! Da brummt der Wirtschaftsmotor wieder richtig. Und die Beschäftigten dieser Firmen können kaum noch schlafen bei dem Gedanken an das viele Geld, das sie dann verdienen werden.
Gestresste Manager können so ein Wagner-Festival doch höchstens nutzen, um mal wieder richtig auszuschlafen. In einem ICE mit durchlaufenden Passagieren oder Sitznachbarn, die einen im Großraumwagen anrempeln oder Kleinkinder die im Abteil unentwegt schreien, lassen einen ja nicht zur Ruhe kommen. Und die Chauffeure mit ihren gefährlichen Fahrstilen heuzutage sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren.
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Die Sommerhitzewellen waren für meinen alten PC das Todesurteil. Danach ging es im Keller, abseits der Zivilisation, mit neu aufgesetztem Betriebssystem, weiter. Und inzwischen Gott sei Dank wieder in den oberen Etagen des Hauses. Jetzt können neue Herausforderungen umso schneller erledigt werden. 😉
Was ich so langsam glaube, ist, dass der große Kindheitstraum von Herrn Söder der ist, der unbeliebteste Mann in ganz Bayern zu sein. Und ich muss mit allergrößtem Respekt sagen, dass er dieses große Lebensziel praktisch erreicht hat. Gegen alle politischen Widerstände und internen Konkurrenten. So etwas schafft wirklich nicht jeder! Herr Söder hat jetzt wirklich ein sehr großes Alleinstellungsmerkmal, zumindestens in Bayern, erreicht.
Es pfeifen aber anscheinend schon die Murmeltiere aus den Alpentälern dass Herrn Söder dies noch nicht reicht. Er will sogar wohl der unbeliebteste Mann in ganz Deutschland werden! Hut ab! So was hat sich ja schon seit FJS-Zeiten niemand mehr getraut („Der Bayer muss von Bonn ferngehalten werden“)! Schaum mer mal wie er das in die Wege leiten wird.
Noch ein wichtiger Hinweis, den ich beim letzten Kommentar zum Thema München vergessen hatte: Die Touris sollten auf keinen Fall die Feldherrnhalle im Zentrum Münchens mit der Altherrentennishalle in Unterföhrung am äußersten Rand Münchens, praktisch schon mitten im Grünen, verwechseln. Es wäre ja zu dumm für all die Touristen, wenn sie sich mit den Öffis bis an den Rand von Unterföhring gekämpft hätten, nur um dann festzustellen, dass dort nix is außer eben dieser Tennishalle. Kein Biergarten, keine katholische Kirche, vermutlich nicht einmal die original lila Kühe von den bayerischen Weiden zum Bestaunen. Mei wenn sich des herumsprechen tät, des wär fei arg für die Geschäftl der Gaststätten-und-Beherbergungs-Maf.. äh,äh Gaststätten-Zunft.
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