Zum Beginn der Osterferien suchte ich nach einem Film, den ich mit meinem 13jährigen Sohn gemeinsam anschauen könnte und stieß auf „Die Welle“. Ein Lehrer startet mit seiner Schulklasse ein Sozialexperiment, um zu zeigen, wie Diktaturen entstehen, lautete die knappe Inhaltsangabe. Ich vermutete, dass der Film mir irgendetwas auch über die derzeitige Situation sagen könnte und drückte voller Interesse auf die Start-Taste.
„Geh in die Provinz und blamier Dich!“ Diesen Rat seines Lehrers Arthur Nikisch hat der junge Dirigent Heinz Tietjen nur teilweise befolgt. In die Provinz ging er tatsächlich. Fast zwei Jahrzehnte, von 1904 bis 1922, wirkte er am Theater der Stadt Trier, drei Jahre als Kapellmeister, dann als Chef des Hauses. Doch blamiert hat er sich nicht. Bis heute gilt die Ära Tietjen als die größte Zeit des Trierer Theaters. Tietjens künstlerischer Aufstieg begann in der zweiten Hälfte der Weimarer Republik und führte ihn binnen weniger Jahre an die Spitze des deutschen Theaterlebens. Er war gleichzeitig General-Intendant der Preußischen Staatstheater und künstlerischer Leiter der Bayreuther Festspiele. Damit hatte er eine in der Theatergeschichte einzigartige Machtposition inne. Obwohl ein Gegner der Nazis, blieb Tietjen auch nach 1933 in seinen Ämtern: der Beginn einer zwölfjährigen Gratwanderung, eines gefährlichen Doppelspiels zwischen Anpassung und Widerstand.