Franz von Assisi und der Hygienestaat

Bis er Mitte zwanzig war, führte Franz von Assisi, der heilige Franziskus, nach eigenem Bekenntnis ein Leben in Sünde. In jener verlorenen Zeit erschien es ihm zum Beispiel „gar bitter, Aussätzige zu sehen“. Nach seiner Wendung zu Gott änderte sich dies grundlegend: „… der Herr selbst führte mich unter sie [die Aussätzigen], und ich tat Barmherzigkeit an ihnen. Und beim Scheiden von ihnen wurde mir das, was mir bitter schien, in Süßigkeit des Geistes und des Körpers verwandelt.“

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Weltuntergänge

In der WDR 3-Literatursendung Gutenbergs Welt vom 19. September 2020 sprach ich mit Walter van Rossum über Nick Bostroms Buch „Die verwundbare Welt – Eine Hypothese“ (Suhrkamp Verlag). In der Sendung (hier komplett als Podcast) gab es zudem ein Gespräch mit Paul Schreyer über dessen Corona-Bestseller „Chronik einer angekündigten Krise“.

Atemberaubende Kindheit

Kerstin Bahrfeck über kinderfeindliche Corona-Maßnahmen

Wie weit gehen wir zum Schutz unserer Gesundheit? So weit jedenfalls, dass wir uns selbst und unsere Kinder krank machen. Kinder zeigen sich in diesen Tagen tief verunsichert und oft verstört. Schon die Tatsache, dass sich Erwachsene „irgendwie anders“ benehmen, irritiert sie. Sie müssen ihre natürlichen Impulse unterdrücken, werden andauernd wegen Nichtigkeiten gemaßregelt.

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Von der Spaltung zur Einheit?

500 Jahre Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier

Es muss vor etwa zehn Jahren gewesen sein. Damals unterbreitete ich einer Hörfunk-Redaktion Vorschläge für ein satirisch gefärbtes Feature über katholische Reliquienverehrung. Im Zentrum sollte die berühmte Trierer Heilig-Rock-Wallfahrt stehen. Die Redaktion zeigte ein gewisses Interesse, meinte aber, andere Themen seien zurzeit wichtiger. Etwa zwei Jahre später erinnerte man sich meiner Idee – aus aktuellem Anlass. Denn in Trier stand für das Jahr 2012 eine Jubiläums-Wallfahrt auf dem Programm: Vor 500 Jahren war der Rock Christi der Öffentlichkeit zum ersten Mal gezeigt worden.

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Gefährliches Doppelspiel

Heinz Tietjen – Dirigent, Regisseur, Intendant

„Geh in die Provinz und blamier Dich!“ Diesen Rat seines Lehrers Arthur Nikisch hat der junge Dirigent Heinz Tietjen nur teilweise befolgt. In die Provinz ging er tatsächlich. Fast zwei Jahrzehnte, von 1904 bis 1922, wirkte er am Theater der Stadt Trier, drei Jahre als Kapellmeister, dann als Chef des Hauses. Doch blamiert hat er sich nicht. Bis heute gilt die Ära Tietjen als die größte Zeit des Trierer Theaters. Tietjens künstlerischer Aufstieg begann in der zweiten Hälfte der Weimarer Republik und führte ihn binnen weniger Jahre an die Spitze des deutschen Theaterlebens. Er war gleichzeitig General-Intendant der Preußischen Staatstheater und künstlerischer Leiter der Bayreuther Festspiele. Damit hatte er eine in der Theatergeschichte einzigartige Machtposition inne. Obwohl ein Gegner der Nazis, blieb Tietjen auch nach 1933 in seinen Ämtern: der Beginn einer zwölfjährigen Gratwanderung, eines gefährlichen Doppelspiels zwischen Anpassung und Widerstand.

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