Wer war Jacques Ellul?

Anfang 1959 hielt sich der britische Schriftsteller Aldous Huxley zu einer Vorlesungsreihe an der University of California auf. In Huxleys Reisegepäck befand sich ein fünf Jahre zuvor veröffentlichtes Buch Jacques Elluls: „La Technique ou l’enjeu du siècle“ (deutsch: Die Technik oder: die Herausforderung des Jahrhunderts). Über seine Leseeindrücke schrieb Huxley am 5. Januar 1959 an seinen Bruder, den Nobelpreisträger Sir Julian:

„Ich lese gerade das 54 erschienene Buch von Professor Jacques Ellul, ‚La Technique‘ – das Beste, was ich je zu diesem Thema gelesen habe, trotz des etwas undurchsichtigen Stils. Das Bild, das er von der Technik zeichnet, die sich in jedem Bereich menschlicher Tätigkeit – Techniken der Produktion, Techniken der Wirtschaft, Techniken der Politik, Techniken der Bewusstseinsmanipulation – nach den Gesetzen ihrer eigenen Natur und keineswegs nach den Gesetzen der menschlichen Natur entwickelt, ist äußerst bedrückend.“

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GAS!!!

Eine Dramen-Trilogie von Georg Kaiser

Zwischen 1917 und 1920 legte der expressionistische Dramatiker Georg Kaiser drei thematisch zusammenhängende Theaterstücke vor: Die Koralle, Gas und Gas. Zweiter Teil. Kaisers Stücke sprengen in mehrfacher Hinsicht den Rahmen und gehen an die Substanz. „GAS!!!“ weiterlesen

In der Katastrophe wird die Wahrheit offenbar

„In St. Jago, der Hauptstadt des Königreichs Chili, stand gerade in dem Augenblicke der großen Erderschütterung vom Jahre 1647, bei welcher viele Tausend Menschen ihren Untergang fanden, ein junger, auf ein Verbrechen angeklagter Spanier, namens Jeronimo Rugera, an einem Pfeiler des Gefängnisses, in welches man ihn eingesperrt hatte, und wollte sich erhenken.“ „In der Katastrophe wird die Wahrheit offenbar“ weiterlesen

Das ganze Leben ist ein Quiz

Über Risiken, Gefahren – und Heuchelei

Haben Risiken in den vergangenen Jahrzehnten objektiv zugenommen – an Zahl und Größe? Oder sind wir nur sensibler für alle möglichen Gefährdungen geworden? Sind Risiken überhaupt real, gibt es sie wirklich, lassen sie sich zweifelsfrei nachweisen, gar messen? Oder sind sie lediglich Konstrukte, die von Wissenschaftlern, Medien oder wem auch immer (und wozu auch immer) erzeugt werden? „Das ganze Leben ist ein Quiz“ weiterlesen

Der gestiefelte Kanzler

Wie der Staat von Katastrophen profitiert

„In der Katastrophe schlägt die Stunde des Staates“, hört und liest man immer wieder. So ganz stimmt das nicht. Zunächst einmal, ganz am Anfang, ist die Katastrophe in aller Regel nicht die Stunde des Staates, sondern des Staatsversagens. Denn bis sich der Staatsapparat auf die neue Lage eingestellt hat, dauert es meist eine Weile. Das liegt daran, dass man dort zwar stets auf Katastrophen gefasst ist, aber just mit dieser Katastrophe nicht gerechnet hat, und schon gar nicht zu diesem Zeitpunkt. „Der gestiefelte Kanzler“ weiterlesen

Arbeiten im Spannungsfeld

Der Künstler und die Macht

Die Künstler können den politisch Mächtigen nützlich sein, sie können ihnen aber auch unbequem, sogar gefährlich werden. Das Verhältnis zwischen Kunst und politischer Macht ist seit jeher spannungs- und konfliktgeladen. Das liegt nicht daran, dass jedes Kunstwerk politisch wäre, sondern daran, dass kein Kunstwerk unpolitisch ist. Oder besser: dass kein Kunstwerk vor einer Politisierung gefeit ist.

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Moderne Maschinenstürmer

Wie funktioniert Technikkritik?

Ted Kaczynski wurde 1942 in Chicago geboren, als Sohn polnischer Einwanderer. Als er in die Schule kam, erkannten seine Lehrer schnell die außerordentliche mathematische Begabung des Jungen. Unter seinen Mitschülern erwarb sich Ted schon bald den Ruf eines Genies. Im Alter von nur 16 Jahren erlaubte man ihm die Aufnahme eines Mathematikstudiums an der Harvard University. Der Jungstudent erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen. 1967 wurde er Assistenzprofessor in Berkeley. Der Weg ins wissenschaftliche Establishment stand ihm offen.

Nur zwei Jahre später – die große Wende: Kaczynski kündigt seine Universitätsstelle. Der hoffnungsvolle Nachwuchswissenschaftler wird zum Aussteiger. Er zieht sich in die Wälder Montanas zurück und lebt über zwanzig Jahre als Einsiedler in einer selbstgebauten Holzhütte. „Moderne Maschinenstürmer“ weiterlesen

Vorbilder gesucht…

Brauchen Demokratien Helden?

Erinnern Sie sich noch an den FAZ-Fragebogen? Allwöchentlich erschien er im Magazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Mehr oder weniger prominente Zeitgenossen beantworteten einen umfänglichen Fragenkatalog. Gleich mehrere Fragen galten dem Thema Heldentum. Auch wenn es das alte FAZ-Magazin nicht mehr gibt, der Fragebogen hat überlebt. Nach dem Motto „Erkenne Dich selbst“ nehme ich mir den Katalog alle paar Jahre neu vor und vergleiche die Ergebnisse. Alle meine Antworten haben sich im Laufe der Zeit verändert, nur eine ist gleich geblieben. Auf die Frage nach meinen Lieblingshelden in der Geschichte antworte ich: „Die Bürger von Calais“. „Vorbilder gesucht…“ weiterlesen

Katastrophengesellschaft

Für einen neuen Sicherheitsbegriff

Wir leben in einer globalen Katastrophengesellschaft, behaupte ich. Ein drastischer Begriff, gewiss, aber er erscheint mir aus drei Gründen gerechtfertigt: Zum einen wird unsere Welt immer öfter von schweren Katastrophen heimgesucht, von Naturkatastrophen, technischen Katastrophen, aber auch von ökonomischen, sozialen oder politischen Katastrophen. Sodann ist unser Leben durch ein enormes Katastrophen-Potential gekennzeichnet. Und schließlich: Viele von uns sind unfähig oder unwillig, diese Lage mit nüchternen Augen zu betrachten. Wir neigen zu extremen Ausschlägen, entweder zur Verdrängung und Beschwichtigung oder zur Dramatisierung und Hysterie. Die Katastrophengesellschaft laviert zwischen Panikmache und Verharmlosung. Eine Gesellschaft der Extreme also – und das hat fatale Folgen: Auf manchen Problemfeldern tut sie zu viel, auf anderen zu wenig, auf allzu vielen auch gar nichts. Vor allem aber, so meine These, tut sie das Falsche. Denn sie versucht ihre Probleme mit denselben Mitteln zu lösen, die sie verursacht haben. Sie glaubt allen Ernstes, mit Hilfe moderner Technik Sicherheit erlangen zu können. „Katastrophengesellschaft“ weiterlesen