Kollektive Bestrafung

Afghanistan am Abgrund

Ein gutes Jahr nach dem unkoordinierten Abzug der USA und ihrer Alliierten aus Afghanistan steht das Land von einer humanitären Katastrophe, von der die Welt – nicht zuletzt infolge eines faktischen Medien-Blackouts – nur wenig erfährt und gegen die sie viel zu wenig unternimmt. Die bedrohliche Entwicklung, aktuell verschärft durch den bevorstehenden harten afghanischen Winter, ist nicht den neuen Machthabern in Kabul, den Taliban, anzulasten. Ursächlich ist vielmehr die rigide Sanktionspolitik des Westens, die einem Wirtschaftskrieg gegen das Land gleichkommt. Besonders fatal ist die Tatsache, dass sich die USA und andere Länder weigern, circa 9 Milliarden US-Dollar, die von westlichen Banken verwahrt werden, an ihren rechtmäßigen Besitzer, die afghanische Zentralbank, zurückzuzahlen.

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„Umgekehrter Totalitarismus“

Sheldon Wolins provozierendes Alterswerk

„Beschreibt ‚Demokratie‘ wirklich unsere Politik und unser politisches System, oder handelt es sich um eine zynische Geste, mit der eine zutiefst manipulative Politik getarnt werden soll?“ So lautet die Kernfrage in Sheldon Wolins großer, nun auch ins Deutsche übersetzten Analyse des politisch-ökonomischen Systems der USA. Aus seiner Antwort machte der 2015 verstorbene Princeton-Professor keinen Hehl. Wolin, neben Hannah Arendt der wohl bedeutendste Politiktheoretiker der vergangenen Jahrzehnte, sprach seinem Land die demokratische Qualität ab. Er sah in den USA ein neuartiges politisches und gesellschaftliches System heraufziehen: den „umgekehrten Totalitarismus“.

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Wer war Jacques Ellul?

Anfang 1959 hielt sich der britische Schriftsteller Aldous Huxley zu einer Vorlesungsreihe an der University of California auf. In Huxleys Reisegepäck befand sich ein fünf Jahre zuvor veröffentlichtes Buch Jacques Elluls: „La Technique ou l’enjeu du siècle“ (deutsch: Die Technik oder: die Herausforderung des Jahrhunderts). Über seine Leseeindrücke schrieb Huxley am 5. Januar 1959 an seinen Bruder, den Nobelpreisträger Sir Julian:

„Ich lese gerade das 54 erschienene Buch von Professor Jacques Ellul, ‚La Technique‘ – das Beste, was ich je zu diesem Thema gelesen habe, trotz des etwas undurchsichtigen Stils. Das Bild, das er von der Technik zeichnet, die sich in jedem Bereich menschlicher Tätigkeit – Techniken der Produktion, Techniken der Wirtschaft, Techniken der Politik, Techniken der Bewusstseinsmanipulation – nach den Gesetzen ihrer eigenen Natur und keineswegs nach den Gesetzen der menschlichen Natur entwickelt, ist äußerst bedrückend.“

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Jacques Elluls „Propaganda“

Entdeckung eines Klassikers

Im September 2021 erschien im Frankfurter Westend Verlag die deutsche Übersetzung von „Propagandes“, einem der Hauptwerke des französischen Soziologen, Historikers und Theologen Jacques Ellul (1912-1994). Ellul hatte dieses Buch 1962 publiziert. Schon drei Jahre später kam in den USA eine englische Übersetzung heraus. Nun, nach über einem halben Jahrhundert, liegt endlich eine deutsche Fassung vor. Sie bietet die Chance, auch hierzulande ein längst zum Klassiker avanciertes Werk zu entdecken – sowie seinen Autor, der zu den interessantesten und wegweisenden Denkern des 20. Jahrhunderts zählt.

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Hitler-Bayreuth? Wieland Wagner im Zwielicht

Seit einigen Tagen laufen die Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele. Eine Reihe Corona-bedingter Einschränkungen dürfte den Kunstgenuss trüben, aber immerhin: anders als im vergangenen Jahr kann das Festival 2021 wieder steigen. Zudem steht diesmal ein Jubiläum an, denn 1951, also vor 70 Jahren, ging „Neubayreuth“ an den Start. Die Festspiele im BRD-Kontext sollten die zwölf braunen Jahre unter der Ägide der Hitler-Verehrerin Winifred Wagner vergessen machen. Dieser künstlerische Aufbruch ist aufs engste mit Wieland Wagner verbunden, einem Enkel des Komponisten. Er leitete die Nachkriegsfestspiele (zusammen mit Bruder Wolfgang) bis zu seinem frühen Tod 1966. Nach wie vor genießt Wieland Wagner vielerorts einen legendären Ruf. Doch war dieser Mann wirklich die untadelige Lichtgestalt, als die er lange Zeit erschien?

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Politische Angst. Warum wir uns kritisches Denken nicht verbieten lassen dürfen. Frankfurt: Westend Verlag 2021

Die Coronakrise hat in vielen Menschen ein bisher unbekanntes Gefühl ausgelöst: Politische Angst. Sie ist ein äußerst effektives Herrschaftsmittel. Das ist spätestens seit Machiavelli und Hobbes bekannt. Doch warum lassen sich Menschen überhaupt (und so leicht) ängstigen? Warum geben die meisten von ihnen dem Druck immer wieder nach? Warum opfern sie ihre individuelle Freiheit allzu oft einer trügerischen Sicherheit? Wer von Angst überwältigt wird, kann nicht frei sein. Politische Angst unterhöhlt den Rechtsstaat und die Demokratie. In der Coronakrise ist dies durch den repressiven, Angst erzeugenden staatlichen Zugriff auf Individuen und Gesellschaft vielen Menschen bewusst geworden. Ulrich Teusch zeigt, wie wir die Methoden der Angsterzeugung erkennen, uns schützen und wehren können.

Eve of destruction? Eine Mutmaßung

Befürworter wie Kritiker der aktuellen Corona-Maßnahmen sind sich in einem wesentlichen Punkt einig. Sie alle neigen zu der Annahme, dass diejenigen, die uns durch diese nicht enden wollende Krise steuern, eine klar definierte Agenda verfolgen, dass sie – ungeachtet aller Turbulenzen und „Debakel“ ihres Krisenmanagements – das Heft des Handelns in der Hand halten, dass sie wissen, was sie wollen und was sie tun. Tatsächlich? Spricht nicht, ganz im Gegenteil, vieles dafür, dass die Corona-Politik längst aus dem Lot und außer Kontrolle geraten ist? Dass der „Krieg gegen das Virus“ nur Leid und Zerstörung und viele Verlierer hinterlässt? Dass also – bewusst oder unbewusst – gewaltige Destruktivkräfte entfesselt wurden, die inzwischen ein Eigenleben führen?

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Wie im Film

Von Kristina Kubulin

Zum Beginn der Osterferien suchte ich nach einem Film, den ich mit meinem 13jährigen Sohn gemeinsam anschauen könnte und stieß auf „Die Welle“. Ein Lehrer startet mit seiner Schulklasse ein Sozialexperiment, um zu zeigen, wie Diktaturen entstehen, lautete die knappe Inhaltsangabe. Ich vermutete, dass der Film mir irgendetwas auch über die derzeitige Situation sagen könnte und drückte voller Interesse auf die Start-Taste.

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Die Abrissbirne aus der Uckermark

Von Dirk Maxeiner

Rechthaben, drangsalieren, schikanieren. Wer beobachtet, was deutsche Regierungskreise derzeit so zu bieten haben, könnte meinen, nicht Corona sei ausgebrochen, sondern die Tollwut. In Nordrhein-Westfalen wird nach nur eineinhalb Stunden ein Gerichtsurteil kassiert, das die Schließung des Einzelhandels wegen Ungleichbehandlung für rechtwidrig erklärte. Motto: Was, ihr wagt es, euer Recht einzuklagen und zu widersprechen? Na, dann werden halt alle Läden geschlossen! Jetzt zeigen wir euch mal, wo der Hammer hängt. Wer es wagt, dem Irrsinn in Richtung Mallorca zu entfliegen, der wird (unter tätiger Beihilfe vieler Medien) zum Volksfeind gestempelt, dem man nach seiner Rückkehr jede erdenkliche Schikane an den Hals wünscht.

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Demo in Kassel am 20. März – eine andere Wahrnehmung

Von Kristina Kubulin

Gestern war ich vier Stunden lang in Kassel bei der Kundgebung auf der Schwanenwiese.

Schon auf dem Weg dorthin traf ich nette Leute aus Berlin, die mich und meinen Mann fragten, ob sie auf dem richtigen Weg seien. Je näher wir an den der Schwanenwiese vorgelagerten „Platz der Deutschen Einheit“ kamen, desto mehr Demonstrierende strömten aus allen Richtungen dazu. Wir hatten Glück. Wir kamen am Veranstaltungsort an noch bevor die zugelassene Teilnehmerzahl von 5000 Menschen erreicht war.

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Antipolitik? Antipolitik!

Desinteresse an öffentlichen Angelegenheiten, Rückzug ins Private, Wahlmüdigkeit, Parteienverdruss, wachsende Skepsis gegenüber Demokratie und Staat – solche Phänomene der Entpolitisierung werden von der herrschenden politischen Klasse gerne wortreich bedauert und als bedenkliche Krisensymptome gedeutet. Das politische Führungspersonal versichert treuherzig, es verfolge solcherart Lethargie mit großer Sorge und wolle ihren Ursachen auf den Grund gehen. Denn es könne keine Demokratie ohne Demokraten geben. Daher wünsche man sich selbstverständlich und dringend den aktiven Bürger, den interessierten Zeitgenossen, der am politischen Geschehen Anteil nimmt, der sich einbringt und mitmacht.

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Wenn Druck Beziehungen zerstört

Von Kristina Kubulin

Ich staune und bin gleichzeitig erschüttert. Mitmenschen äußern sich über das Impfen – und ich empfinde es so, als zeigten sie eine Seite, die ich bislang nicht an ihnen vermutet hätte.

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Wächter des Imperiums

In der WDR 3-Literatursendung „Gutenbergs Welt“ vom 20. Februar 2021 sprach ich mit Moderator Walter van Rossum über Bernd Greiners neue Kissinger-Biografie (erschienen bei C.H. Beck zum Preis von € 28). Hier der Beitrag zum Nachhören.

Technik und Krise | Teil 2

Die Apologeten des „Great Reset“ setzen auf modernste Technik, um die existenzielle Krise des globalen Kapitalismus zu überwinden. Doch dieses Vorhaben ist zum Scheitern verurteilt, denn es basiert auf einem naiven, unterkomplexen Technikbegriff. Der vorliegende Beitrag entwickelt ein alternatives Verständnis moderner Technik und erläutert, warum diese nicht als Rettungsanker taugt, sondern eher als Brandbeschleuniger wirkt. Im Zentrum der Argumentation steht das Konzept eines global ausgreifenden technischen Systems.

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Technik und Krise | Teil 1

Man hat dem Kommunismus und anderen politischen Großideologien vorgeworfen, sie hätten ihre Bevölkerungen in Geiselhaft genommen und in gigantische, opferreiche und am Ende gescheiterte Sozialexperimente hineingepresst. Das ist wahr. Aber die extremen politischen Ideologien stehen in dieser Hinsicht nicht allein. Auch andere haben sich – wenngleich nicht derart rigoros – immer wieder angemaßt, die Menschen zu ihrem Glück zu zwingen. So haben sich zum Beispiel auch die Apologeten des technischen Fortschritts des Öfteren darin gefallen, „Einzelschicksale einer höheren Berufung unterzuordnen“ (Dirk van Laak). Sie tun dies auch gegenwärtig wieder.

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