Luxemburg im Zeichen des Hakenkreuzes

75 Jahre Kriegsende (I)

In kaum einem anderen europäischen Land sind die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg so gegenwärtig wie in Luxemburg. Der deutsche Einmarsch 1940 und der dann folgende Versuch, das kleine Land seiner Identität zu berauben und es dem „Großdeutschen Reich“ einzuverleiben, sind für die Luxemburger ein traumatisches Erlebnis gewesen. Nicht minder gegenwärtig ist die Erinnerung an den mutigen Widerstand vieler Luxemburger gegen die deutsche Okkupation.

Um die geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung dieses Themas hat sich vor allem der Luxemburger Historiker Emile Krier verdient gemacht. Der 2002 verstorbene Krier kam aber nicht mehr dazu, das von ihm im Laufe der Jahre zusammengetragene Material umfassend auszuwerten. Dieser Aufgabe hat sich nach Kriers Tod sein deutscher Kollege Hans-Erich Volkmann angenommen. Auf der Basis der von Krier gesammelten Dokumente hat er eine umfangreiche Geschichte Luxemburgs im Zeichen des Hakenkreuzes veröffentlicht. Im Vordergrund seines Interesses steht die Verflechtung von politischen und wirtschaftlichen Interessen der deutschen Besatzungsherrschaft.

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Jede Geschichte hat ihre Vorgeschichte – so auch die völkerrechtswidrige Besetzung des neutralen Kleinstaates Luxemburg durch Truppen des „Dritten Reiches“ am 10. Mai 1940. Für die Luxemburger war das nicht das erste böse Erlebnis mit dem übermächtigen Nachbarn. Seit sich das moderne Luxemburg herauszubilden begann – also seit Anfang des 19. Jahrhunderts –, war deutscher Einfluss bestimmend. Insbesondere während des Kaiserreichs kam es zu einer engen wirtschaftlichen Verzahnung. 1914, mit Beginn des Weltkriegs, wurde Luxemburg zum ersten Mal von deutschen Truppen besetzt. Aus dieser bitteren Erfahrung zog das Land nach Kriegsende drastische Konsequenzen. Es kappte die bis dahin so engen Beziehungen zu Deutschland und wandte sich Frankreich und Belgien zu.

Auf deutscher Seite wollten sich damit viele nicht abfinden. Starke Kräfte pochten darauf, die Vorkriegsverhältnisse wieder herzustellen. Dabei waren natürlich ökonomische Interessen im Spiel, etwa die der großen Geldinstitute, wie der Deutschen oder der Dresdner Bank. Vor allem aber waren da die Begehrlichkeiten der Industriemagnaten an der Ruhr, die es nur schwer verwinden konnten, vom Erz und Eisen Luxemburgs abgeschnitten zu sein. Ideologisch unterstützt wurden diese Wirtschaftsgruppen von reaktionären Landes- und Volkskundlern, die in den 1920er und 30er Jahren den Luxemburgern immer lauter das Recht auf Eigenstaatlichkeit absprachen und das Land als Teil der deutschen Nation reklamierten.

Mit dem deutschen Einmarsch 1940 wurden diese Ambitionen konkret. Dass die Nazis es von vornherein nicht bei einer bloßen militärischen Okkupation des Landes belassen wollten, sondern auf eine regelrechte Annexion abzielten, war unverkennbar. Schon bald nach dem Einmarsch installierte man eine Zivilverwaltung, zu deren Chef man sinnigerweise einen unmittelbaren Nachbarn ernannte, nämlich den Gauleiter von „Koblenz-Trier“ respektive „Moselland“, Gustav Simon.

„Ungeachtet seiner akademischen und pädagogischen Ausbildung verkörperte Simon den engstirnigen Ideologen, dem Führen und Durchgreifen als höchste politische Tugenden galten. Er gebärdete sich kämpferisch, rücksichtslos und gewalttätig dort, wo er nicht zu überzeugen vermochte. Einerseits besaß er durchaus ein Gespür dafür, was den Luxemburgern im Hinblick auf die Assimilation an das Reich politisch und wirtschaftlich zugemutet werden konnte. Andererseits bewies er in seiner rassenideologischen Befangenheit keinerlei Verständnis für den nationalen Selbsterhaltungstrieb der Bevölkerung des Großherzogtums.“

In seiner umfangreichen und kompetenten Untersuchung rekonstruiert Hans-Erich Volkmann den schrittweisen Prozess der Angleichung des Großherzogtums an die Verhältnisse im Deutschen Reich. Obwohl die Assimilation im Laufe der gut vier Besatzungsjahre fast bis zum Äußersten getrieben wurde, kam es nie zu einer förmlichen Einverleibung – faktisch war Luxemburg zwar annektiert, völkerrechtlich jedoch galt es weiterhin als „besetztes Gebiet“, ein merkwürdiger, zuweilen schizophren anmutender Zustand.

Volkmann beschreibt und analysiert detailliert, wie die Eingliederung rechtlich und administrativ ins Werk gesetzt wurde. Sein Themenspektrum reicht von der sogenannten Arisierung jüdischen Eigentums über die Umstrukturierung von Banken und Versicherungen, die diversen Maßnahmen der Arbeitsmarktspolitik bis hin zur Forst- und Agrarwirtschaft. Stets bleibt der große Hintergrund sichtbar, vor dem sich das alles abspielte: also der immer weiter ausufernde Weltkrieg und die aus diesem herrührenden Interessen Deutschlands an den kriegswirtschaftlichen Ressourcen Luxemburgs. Dabei wird deutlich, dass es im Zuge der Annexionspolitik nicht immer ohne Konflikte zwischen den Machthabern im fernen Berlin und ihren Handlangern vor Ort abging; und auch die maßgeblichen deutschen Akteure in Luxemburg selbst – also Zivilverwaltung, Nazi-Partei, Unternehmen – kamen sich nicht selten in die Quere.

In ihrem Bestreben, die Luxemburger für die deutsche Sache oder doch zumindest für eine reibungslose Kollaboration zu gewinnen, gingen die Deutschen nicht lediglich mit Druck und Gewalt vor, sondern versuchten auch, die Menschen durch materielle oder sonstige Vergünstigungen zu ködern. Und damit erzielten sie auch gewisse Erfolge. Doch als sie Mitte 1941 die jüngeren Luxemburger zum Reichsarbeitsdienst verpflichteten und dann auch noch 1942 die Wehrpflicht für sie einführten, schlug die Stimmung endgültig um.

„Die […] Einführung der allgemeinen Wehrpflicht demonstrierte dem Reich das Scheitern seiner Germanisierungs- und Nazifizierungsbestrebungen, und sie bedeutete für den Gauleiter und Chef der Zivilverwaltung Gustav Simon das ganz persönliche politische Waterloo. Denn er stand vor dem Scherbenhaufen aller Bemühungen, […] ein auf Blutsverwandtschaft beruhendes, gleichsam natürliches Zusammenwachsen des großherzoglichen Territoriums mit dem NS-Staat zu erreichen. Die Restsympathien der Luxemburger waren verspielt, und was blieb, war eine fassungslose Wut […].“

In der Folge kam es zu Streiks, gegen die von deutscher Seite mit der Verhängung des Ausnahmezustands, mit Sondergerichten und Todesurteilen, mit Sippenhaft und zwangsweisen Umsiedlungen vorgegangen wurde.

Hans- Erich Volkmann hat mit seiner politischen Wirtschaftsgeschichte Luxemburgs im Zeichen des Hakenkreuzes ein Standardwerk vorgelegt. Zudem ein Buch, das durch differenzierte, nüchterne Urteile überzeugt. Einfach ist die Lektüre allerdings nicht. Denn Volkmann ist kein Freund der „erzählenden Geschichtsschreibung“, sondern verfährt meist streng analysierend und stilistisch komprimiert. Das gibt seiner Studie den Charakter eines großen Handbuchs, aus dem man eher einzelne Kapitel zur Lektüre auswählen sollte oder das man bei Bedarf als Nachschlagewerk konsultieren kann.

Hans-Erich Volkmann: Luxemburg im Zeichen des Hakenkreuzes. Eine politische Wirtschaftsgeschichte 1933 bis 1944. Schöningh Verlag 2010, 582 S., € 46,90

 

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